Ein Hort für Männer in der Lebenskrise

MAIN POST am 21. Mai 2017 von Günter Roth

 

Mit dem Stück „Männerhort“ von Kristof Magnusson zeigt die „Spessartgrotte“ in Langenprozelten nach „Mann über Bord“ und „Höchste Zeit“ einmal mehr eine Gender-Komödie. An den Problemen der vier Herren in der Midlife-Crisis kann man sich wunderbar ergötzen oder auch darüber nachdenken. Regie führt Helga Hartmann.

Zufluchtsort an jedem Samstag                                                                    Im stillgelegten Heizungskeller einer Shopping-Mall finden der Pilot Helmut, der Software-Entwickler Eroll und die „Führungskraft“ Lars an jedem Samstag einen Zufluchtsort. Wenn ihre Ehefrauen in den Geschäften darüber beim Einkaufen den Großkampftag genießen, können sie nur hinterher trotten und beim späteren Umtausch in der Schlange stehen. Für den Baumarkt oder die Elektronikabteilung bleibt kaum Zeit. In der Unterwelt aber genießen sie bei Dosenbier, Zigaretten und Sportschau den Rest des Tages.

Das Stück spielt mit allen Klischees

Als der Brandschutzbeauftragte Mario das Refugium entdeckt, droht die Vertreibung aus dem Paradies. Doch Mario hat Verständnis für diese Selbsthilfegruppe – schließlich ergeht es ihm nicht anders...

...Die Fassade bröckelt Stück für Stück

Auch die vier unterschiedlichen Männertypen entsprechen herrlich platten Abziehbildern. Obwohl sie wenig ernsthafte Gespräche führen, sondern meistens nur voreinander posen und gockeln, ist „alles Lambada“. Eine scheinbare Stärke, die Stück für Stück bröckelt, als einer nach dem anderen zu Hause rausfliegt und die vier im Keller völlig aufeinander angewiesen sind...

 

 Zuschauer ist förmlich in die Handlung eingebunden

Die kleine, intime Bühne der Spessartgrotte ist wie gemacht für diese Komödie, man erlebt das Stück nicht nur körperlich hautnah, sondern ist förmlich in die Handlung eingebunden. Besonders werden die Ehefrauen der vier Männer so perfekt und plastisch beschrieben, dass man als Zuschauer glaubt, sie sofort zu erkennen, wenn sie durch die Schiebetür treten.

Das ist vor allem das Verdienst der vier Protagonisten. Michael Schäfer spielt überzeugend den Piloten, der ständig Dosennippel zu einer Kette zusammenlötet und selbstsicher verkündet: „Da muss man eben durch!“ Letztendlich muss er aber eine Kündigung verdauen. Die „Führungskraft“ Lars (Johannes Schedel) sieht sich gern als Frauenversteher mit vielen Affären, bis er einsehen muss, „es besteht die Gefahr, dass man aneinander vorbei schläft“. Paul Seeger gibt in köstlicher Manier den Software-Entwickler und Loser Eroll auf der ständigen Suche nach Anerkennung.

 Der beste Mann ist eine Frau

Der beste Mann in der Truppe aber ist eine Frau: Katja Hufgard mimt den Feuerwehrmann Mario authentisch, mal kernig und kräftig, mal nachdenklich weich auf der verzweifelten Suche nach der Liebe und spricht am Ende den wohl wichtigsten Satz des Stückes. Als die Herren nach einer Rauferei den verwüsteten Keller mit ihrem Leben vergleichen, sagt Mario: „So soll es in mir aber nicht aussehen!“

 

INFO und Foto: www.spessartgrotte.de

 

PENSION SCHÖLLER

"Willkommen in der Anstalt", Leporello - Kulturmagazin für Mainfranken, Ausgabe 3/17

Die „Pension Schöller“ ist ein zeitloser Schwank über Geltungs- und Unterhaltungssucht.

 

„...„Durchgedrehte“ Typen bleiben zeitlos. Und von ihnen erscheinen hier nun mal jede Menge.

Da gibt es den gelangweilten Gutshofbesitzer Philipp Klapproth (Michel Schäfer), die pfiffige Franziska Schöller (Astrid Andresen), den schrulligen und duellier-freudigen Herrn von Mühlen, Major A.D. (Nils Harbusch), den weitgereisten „Löwenjäger“, Professor Bernhardy (Marks Schuschnig), den von einem fiesen Sprachfehler geplagten Eugen und Mündel von Schöller (Paul Seeger), der nur zu gern ein großer Schauspieler wäre.

 

Die überdrehte Autorin Josephine Zillertal (Astrid Haas), die immer hungrige und auf Männerjagd befindliche Ida Klapproth, Schwester von Klapproth (Katja Hufgard), den Pleitegeier Alfred, Neffe von Klapproth (Christopher Schlett) und zu guter Letzt den arglosen Berliner Pensionsbesitzer, Herr Schöller (Theo Gündling), der eigentlich nur seine Tochter verheiraten will.

Alle zusammen werden sie durch eine hanebüchene Idee von Herrn Klapproth direkt in eine Heilanstalt katapultiert, die eigentlich gar keine ist. Zum besseren Verständnis: In der Pension Schöller treffen Alfred und sein Onkel Klapproth aufeinander.

 

Alfred will ein Künstler-Café eröffnen. Geld hat er natürlich nicht. Klapproth zeigt sich „willig“, hat jedoch eine Bedingung.

Er will am Stammtisch endlich mal wieder etwas Tolles erzählen und aus diesem Grund einmal echte Irre erleben. In seiner Not gibt der junge Alfred kurzerhand den Gesellschaftsabend der Pension als den einer solchen Anstalt aus. Klapproth ist begeistert.

 

Anders verhält es sich, als die exzentrischen und vermeintlich irren Herrschaften wenig später bei ihm auf dem Gutshof einfallen.

„Die bekannte Komödie sprüht nur so vor Irrwitz, schwingenden Türen und sich rasant überschlagenden Pointen“, ist Helga Hartmann begeistert, erneut aus dem Vollen schöpfen zu können.

 

Nicht nur in Sachen Kostümen, die, historisch angelehnt, bewusst das ein oder andere Klischee bedienen. Auch die bewährten Spessartgrotten-Akteure können die Bühne mit ganzem Sprach- und vor allem Körpereinsatz erobern.

„Man muss aufpassen wie ein Luchs, um die Verrücktheiten zu entdecken“, erklärt die kecke Franziska bereits eingangs.

Am Ende dürfte sich auch das Publikum fragen: „Was ist denn schon normal?“

 

INFO: www.spessartgrotte.de

Bildnachweis: Nicole Oppelt

Fäkal-Sprache auf reiner Bühne,
Main-Echo vom 14. Februar 2014


Theater: »Die Präsidentinnen« zelebrieren im Erthaltheater auf Toiletten sitzend ihre absurden Streitgespräche

[…] Am Mittwochabend war im Erthaltheater Premiere für das unappetitliche Dreigestirn, das weit mehr berührte als provozierte. Denn die Schauspielerinnen Judith Beier als Erna, Katja Hufgard als Gretl und Agnieszka Kleemann als Mariedl agierten großartig vulgär, eklig, spießig, geil, hysterisch, bösartig und mörderisch auf der klinisch reinen Bühne. […] Mariedl weckt am ehesten so etwas wie Mitleid mit all den mies bezahlten Dienstleisterinnen und Dienstleistern am unteren Rand der Gesellschaft. […] Erna mit ihrer bigotten Sprache sagt es am Schluss: »Jeder Mensch auf der Welt hat seine eigene Leich' im Keller.« Und will doch die eigene Leich' - den gegängelten und an Weltekel erstickenden Sohn - nicht erkennen...
Es wurde viel gelacht bei der Premiere über die schrill herausgeputzten Klofrauen, die sich auf dem Abort sitzend in absurde Streitgespräche hineinsteigerten. Doch dann blieb einem das Lachen im Hals stecken, etwa als sich unmissverständlich abzeichnete, dass Gretl nichts gegen den Missbrauch der Tochter durch den eigenen Vater unternommen hat. […] Gnadenlos monströs mimt Hufgard die brünstigen Anwandlungen von Gretl, die sich den potenten Musiker Freddy als imaginären Analsex-Partner vorstellt. Auch hier bleibt alles optisch und olfaktorisch sauber. Doch die Sprache stinkt zum Himmel, so wie die ganze verlogene Abtritt-Welt, in der das völlig sehenswerte Stück von den drei Klofrauen in der Endlosschleife gefangen ist. (Melanie Pollinger)

Foto: Mike Lörler



 "Psychogramm einer Wahnsinnigen" im Main-Echo am 26.01.2013


Schauspiel: Die antike griechische Tragödie »Medea« im Aschaffenburger Erthaltheater ist harte, aber lohnende Kost
...Das Werk entfaltet auf dem kleinen Raum eine unglaubliche Wucht und Spannung. Ein Kammerspiel wird daraus - eines, das einen die Verzweiflung, die Raserei, die Wut und den Wahnsinn dieser Medea unmittelbar spüren lässt...
Keiner entkommt dabei der starken Präsenz von Katja Hufgard, die mit der Hauptrolle ihr Debüt am Erthaltheater gab. Man nimmt ihr die sich langsam in den Wahn und die grenzenlose Wut steigernde Frau ohne Weiteres ab...

 

»Medea« im Erthaltheater ist das Psychogramm einer Wahnsinnigen. Einer Frau, der die Zuschauer beim Wahnsinnigwerden über die Schulter schauen können. Wenn sie am Schluss über die Bühne kriecht, wenn sie ihr Leid herausschreit - sich die Strümpfe zerfetzt, sich das Gesicht mit rotem Lippenstift bemalt und schließlich überreife Tomaten zerquetscht, dann ist man dicht dran am beklemmenden Geschehen.

...Es bleibt das eindrucksvolle Bild einer Frau, die einsam und verlassen ihre Rachepläne durchzieht. Der jedes Mittel recht ist, um an ihr Ziel zu kommen. Und die uns dabei trotzdem seltsam bewegt und an unser Innerstes rührt - weil wir mit ihr zusammen leiden. Was wollte man von gutem Theater mehr? (Bettina Kneller)

 

Blut, Schweiß und Tränen: Katja Hufgard spielt eine eindrucksvolle Medea.

Foto: Mike Lörler